Eine Geschichte von Hadie zu Bild Nr. 31291
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STAATSBESUCHE

©2001 by "hadie"

 


Staatsbesuche

Heinzi schaute in klare und ausdrucksvolle Augen, als er Pseudowespe D5 die Hand gab. Vor ihm saß eine Chimäre, ein Mischwesen aus Mensch und Insekt: Kopf, Oberleib und Arme waren die einer jungen Frau, während der Unterleib einer großen, gelb-schwarz gemusterten Wespe zu gehören schien, einschließlich eines kräftigen Stachels. Der anatomisch komplizierten Wespentaille entsprangen zwei wohlgeformte, lange und weitgehend menschliche Beine. Nur die Füße glichen eher Insektenkrallen.

"Ich bin der Heinz", sagte er und wies auf sich, "und ich bin hier der Fluglehrer. Darf ich du sagen?". Lächelnd nickte die junge Dame.

"Dann laß dich mal anschauen. Die Flügel sind glatt und gut ausgehärtet, die Gelenke sauber, die Flugmuskulatur kräftig und elastisch.", diktierte er dem neben ihm stehenden Pfleger für´s Protokoll. "Nur die Fingernägel müßten mal gefeilt werden." Der Pfleger blickte sauertöpfisch drein.

"Und du fühlst dich fit?"

"Ja." piepste die junge Wespendame.

"Dann laß uns anfangen." Heinzi zog eine grobe Kutte an, nahm D5 bei der Hand und gemeinsam traten sie auf den Hof des Instituts. Der Rücken der Kutte war mit Blech verstärkt, denn Heinz wollte keine Bekanntschaft mit ihrem Wespenstachel machen. Nach einigen Aufwärmübungen bedeutete Heinz der Flugschülerin, auf seine Schultern zu klettern und mit den Flügeln zu schlagen.

Bei diesen Flugübungen war es schon zu einigen schmerzlichen Unfällen gekommen, weil die Pseudowespen ihre Fluglehrer mit in die Höhe gezogen hatten. Auch D5 hatte Probleme, sie flatterte hastig und krallte sich in den Schultern ihres Trägers fest, während ihr feuchter Stachel aufgeregt gegen seinen blechverstärkten Rücken schlug.

"Ganz ruhig Kleines, das schaffen wir schon. Ihr Wespen machtmit den Vorderflügeln soetwas wie eine Acht, während die Hinterflügel immer eine viertel Phase hinterher sind."

Tatsächlich schlug D5 bald gleichmäßiger mit den Flügeln und erzeugte einen merklichen Auftrieb, der Heinz jedoch nicht anheben konnte. Er war eigentlich Laboringenieur und nur wegen seines deutlichen Übergewichts zum Fluglehrer ernannt worden.

D5 erwies sich als überaus gelehrige Schülerin, bald konnte sie kurze Strecken alleine geradeaus fliegen, ehe sie wieder auf den Schultern ihres Trägers landete. Doch Heinz lief immer langsamer. Zum einen war er wirklich müde, zum anderen sollte seine Elevin das Fliegen auf der Stelle lernen. Bald beherrschte sie nicht nur dies, sie konnte auch in der Luft manövrieren und Gegenstände transportieren. Sorgsam brachte sie einen großen durchsichtigen Sitzball herbei, als sie merkte, daß ihrem Meister die Puste ausging.


"Und hier, verehrte Wissenschaftsbojaren, können sie sich wieder einmal von der Leistungsfähigkeit unseres Instituts überzeugen.", sagte der grauhaarige Direktor zu drei bärtigen Gestalten in prächtigen Pelzmänteln. Ein Staatssekretär im schwarzen Anzug stand daneben und nickte beifällig.

"Naja, nette Spielerei.", bestätigte der dicke Oberbojar. "Um solche Genome zu berechnen, verwenden sie also ihre teure Rechenzeit?"

"Das ist eine Auftragsforschung, die wir hoffentlich bezahlt bekommen.", antwortete der Direktor. "Aber um noch einmal auf die von ihnen angefragte Medikamentenproduktion zu sprechen zu kommen. Das Produkt hätte gut in unsere Pharmaziestrecke gepaßt.

Aber es ist nun einmal das umsatzstärkste männliche Potenzmittel, für das es noch lange gültige Lizenzen gibt. Wie ihnen unser geschätzter Staatssekretär schon berichtet hat, ist vorige Woche ein Kontrollteam der Weltregierung hier aufgetaucht und hat alle Ausgangsstoffe und das Rezept beschlagnahmt."

"Die Versuchsproduktion habe ich zum Glück retten können und werde sie ihnen nachher als kleines Abschiedsgeschenk überreichen.", versprach der Staatssekretär. "Aber unser schutzloser Kleinstaat kann sich nicht mit den Söldnertruppen von Weltregierung und Pharmakonzernen anlegen. Eine Produktionsaufnahme ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt völlig unmöglich."

"Das wird unser Väterchen im Kreml aber gar nicht gerne hören", sagte der Oberbojar mit trauriger Stimme, "und eine Ausweitung der Stromlieferungen kommt nun auch nicht mehr in Frage".

"Unser Rechenzentrum möchte ich ihnen aber trotzdem noch zeigen.", meinte der Direktor und wies auf ein großes Bürogebäude, das von lautstarken Kühlaggregaten umgeben war.

"Kein Bedarf, lassen sie unsere Wagen vorfahren!", beschied der Oberbojar ungnädig.


Währenddessen hatte Heinz D5 in ihren Bau zurückgebracht, wo die Pseudowespen sehr sozial zusammen lebten. Die Wachwespe hatte sie in Empfang genommen und die Pflegewespen putzten D5, wobei sie einen summenden Singsang von sich gaben. Heinz durfte natürlich nicht mit hinein in den kleinen Wespenstaat.

Nach einer einsamen Kantinenmahlzeit nahm er in einem abgedunkelten Raum vor einer großen Glasscheibe Platz, um die Pseudowespen bei ihren alltäglichen Beschäftigungen zu beobachten. Im vorderen Teil der einer geräumigen Erdhöhle nachempfundenen Behausung waren die Pflegewespen immer noch damit beschäftigt, den fremden Geruch von Flugschülerin D5 abzuwaschen. Mit feuchten Waschlappen, aber auch mit zärtlichen Zungen reinigten sie ihre blasse Haut und die glatten chitinösen Flächen ihres Unterleibs. Heinz stellte sich vor, er würde so gründlich geputzt und rekelte sich wohlig auf seinem Bürostuhl.

Plötzlicher Lärm ließ ihn aufschrecken: die Reiterprinzessin und ihre beiden Adjutanten drängten herein, gefolgt vom Institutsdirektor und dem Staatssekretär.

"Und hier kommen wir zu den in ihrem Auftrag entwickelten ...", begann der Direktor, aber die Reiterprinzessin unterbrach ihn grob:

"Was ist denn das für eine sexistische Ferkelei?".

"Überzeugen sie sich doch bitte erst einmal von der Leistungsfähigkeit ...", wollte der Staatssekretär beruhigen, doch auch er wurde unterbrochen.

"Ich hatte Reittiere für den Angriff auf Neu-Germania bestellt und keine feuchten Männerphantasien!"

"Das hätte gegen die Biowaffen-Konvention verstoßen.", erklärte der Staatssekretär. "Wir haben das getan, was wirdurften. Keine Art wird gefährdet, kein Embryo bedroht."
"Ich denke nicht, daß wir das hier bestellt haben.", meinte die schwarz gewandete Prinzessin zu ihren grobianischen Adjutanten, die daraufhin heftig nickten.

"Vertragsziel ist", las einer von ihnen vor, "die Vergrößerung und Aufzucht der Gemeinen Wespe Paravespula vulgaris im Maßstab 120 zu 1 bis zur Kleinserienreife ..."

"Wie wollen sie denn auf gewöhnlichen Wespen reiten, bei dem Flügelschlag?", wollte der Direktor wissen. "Wir haben dieses Problem elegant und rasch gelöst. Herr Heinz, bringen sie doch bitte einmal die große Hübsche auf den Hof, die schon so gut fliegt."

Wenig später flog D5 elegante Runden über den Hof und die Prinzessin schien sichtlich beeindruckt zu sein. Sie stimmte sogar zu, selbst eine Runde mit zu fliegen. Vorsichtig umfing D5 die Prinzessin, hob sie langsam an, flog mit ihr quer über den Hof und plazierte sie dann sacht auf dem Sitzball.

Zum Zeichen ihres besonderen Wohlwollens lud nun die Prinzessin die Umstehenden zu einer Runde Dosenbier ein, welches ein Adjutant in der Kühltasche vorrätig hielt. Der Direktor hielt einen kleinen Vortrag, in dem es um Besonderheiten im Körperbau der Pseudowespen ging:

"Es mußten ja immer zwei Prinzipien unter einen Hut gebracht werden: Lungenatmung und Tracheenatmung, Innenskelett und
Außenskelett, geschlossener Blutkreislauf und halboffener. Eine gar nicht so triviale Aufgabe ..."

Heinz hatte für D5 eine Bierdose geöffnet und nun hörte sie freundlich lächelnd zu, wie eine Hofdame in einem besonders eleganten Ballkleid. Nur das Bier schien ihr zu Kopf zu steigen.

Aufgeregt drückte sie ihre hübschen runden Brüste gegen Heinzis Oberkörper, plapperte ihr süßes Kauderwelsch und ihre Hände waren durchaus geschickt in seinem Kopfhaar unterwegs.

"Ein heißes Insekt!" fand die Prinzessin, lachte schallend und schlug Heinz jovial auf den blechverstärkten Rücken. Dies nun wieder erschreckte die Pseudowespe heftig, sie flatterte auf, bog den Stachel ihres prall glänzenden Unterleibs nach vorne und schien die Prinzessin stechen zu wollen.

Um dies zu verhindern, warf sich Heinz auf D5 und riß sie zu Boden, während die Adjutanten mit martialischen Stichwaffen herumfuchtelten. Dadurch fühlte D5 sich und ihren gewichtigen Freund noch mehr bedroht. Mit aller Anstrengung schlug sie mit den Flügeln und bekam auch wirklich Heinz vom Boden. Laut surrend flog sie in etwa zwei Meter Höhe über den Hof und hievte dann ihren Fluglehrer in einer letzten Anstrengung über die Institutsmauer, bevor beide unsanft auf den Boden zurückkehrten.


"Hast du dir etwas getan?" D5 verneinte verwirrt und stand bald wieder auf ihren schönen Beinen. Elegant schritt sie an Heinzis Hand durch den Institutspark, während er ihr kurz die Zusammenhänge der Welt erklärte.

"Also nach der Euro-Katastrophe ist die Wirtschaft Mittel- und Osteuropas wieder einmal ins Chaos gestürzt. Einzelne wohlhabende Städte schützen ihren Reichtum durch hohe Mauern vor den Überfällen räuberischer Reiterheere, wie unsere Prinzessin eines befehligt."

Wieder war wie zur Bestätigung die dröhnende Lache der grobschlächtigen Herrscherin vom Innenhof zu hören.

"Und die Prinzessin hat es sich in den Kopf gesetzt, diese Städte auf Rieseninsekten reitend zu erobern. Klingt spinnig was?" Plappernd bejahte D5 und bei einer romantischen alten Rasenbank schmiegte sie sich wieder an ihn. Diesmal gingen auch Heinzis Hände auf Erkundungstour, tasteten über interessant gewölbte Chitinstrukturen und gelbe Haarbüschel an unerwarteten Stellen.

"Laß uns hier abhauen!", sagte er und ihr kleiner roter Mund öffnete sich erwartungsvoll. Sie kamen an ein Flußufer und entdeckten eine Insel in der Mitte des Flusses.

"Dorthin?" schienen ihre Augen zu fragen. Heinz bestätigte wortlos und D5 schien ihn über den Fluß tragen zu wollen.

"Streng dich nicht an der falschen Stelle an.", meinte er, zog seine Sachen aus und knotete diese zu einem Bündel zusammen.

Verunsichert beobachtete D5, wie er ins Wasser stieg. Als sie sah, daß er schwimmen konnte, beruhigte sie sich rasch und brachte leise summend seine Kleidung auf die Insel. Dann erwartete sie ihn am Inselufer, von weitem ein hübscher Blondschopf in gelb-schwarzem Abendkleid.

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